
Unter dem Haselnussstrauch erscheint ein Ring von Hexenröhrling-Pilzen. Foto: Imker Oswald Blog auf bio-honig.com im September 2022
Pilz-Neuentdeckung
Eine Neuentdeckung eines außergewöhnlichen Pilzes am Bienenhof
Auf dem Weg mit den Schafen zur Weide hat Ruth einen ringförmigen Bestand des Netzstieligen Hexenröhrling (Speise-Pilz) unter Haselnusssträuchern entdeckt.
Blog-Beitrag von Hans Georg Oswald (Imkermeister)

Einer der schönsten Pilze unserer Heimat. Zudem sehr schmackhaft und reich an Vitalstoffen. Foto: Bienenhof Hallertau bio-honig.com
Unsere kleine Schafherde bekommt jeden Tag ein neues Stück Weide von Ruth zugeteilt.
Am Morgen wird das Leitschaf aus dem Stall voraus geführt, während die anderen 18 Schafe inklusive Lämmer mit mehr oder weniger großem Abstand folgen. Alle Mutterschafe tragen Glocken, damit kein Schaf unterwegs verloren geht, und auch ein verirrtes Lamm anhand des hellen Klanges der Glocken die Herde lokalisieren kann, auch wenn es die Herde aus den Augen verloren hat, da das Gelände hügelig ist und es Hecken und Bäume auf der Weide gibt.

Die Netzstruktur des Netzstieligen Hexenröhrling-Pilzes ist hier gut zu erkennen. Foto: bio-honig.com
Auf dem Rückweg von der Schafweide hat Ruth dann die Pilze entdeckt
Zunächst waren wir nicht sicher, um welchen Pilz es sich handelt, aber nachdem mein Schwiegervater, welcher als ehemaliger Jäger über viel Pilzerfahrung verfügt, und zur Pilzbestimmung vorbei schaute, konnten wir den bisher unbekannten Pilz gemeinsam zweifelsfrei als Netzstieligen Hexenröhrling identifizieren.

Die Kappe der Pilze ist rehbraun. Foto: bio-honig.com im September 2022
Die Ernte der Pilze
Ruth hat dann einige wenige, schöne Pilze geerntet durch sorgfältiges Abschneiden (nicht Herausreißen), damit das unterirdische Pilzmycel intakt bleibt und an der gleichen Stelle junge Pilze nachwachsen können. Viele Pilze, vor allem die älteren und ganz jungen Pilze haben wir natürlich stehen gelassen. Oft stellt sich die Frage, ob ein Pilz nicht schon zu alt zum Ernten ist. Man kann dies jedoch mit einem einfachen Trick leicht feststellen, indem man mit einem Finger leicht auf die Kappe drückt. Wenn eine Delle zurückbleibt, dann ist der Pilz zu alt. Solche ältere Exemplare lassen wir stehen, denn sie tragen die reifen Sporen und sorgen für die Fortpflanzung der Pilzart.

Auch hier ist das Netzmuster der Pilze am Stiel sehr gut ausgeprägt und sehr schön zu erkennen. Foto: bio-honig.com
Das Habitat
Das Habitat des Netzstieligen Hexenröhrlings liegt unter Laubbäumen, in unserem Fall sind es die Bienengehölze Haselnuss, Birke und Winterlinde. Dieser wertvolle Pilz bildet mit seinen Wirtsbäumen eine Symbiose im Feinwurzelsystem, die sogenannte Mykorrhiza.
„Mykorrhiza“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Pilzwurzel“. Im Boden verbindet sich das Pilzgeflecht mit den Feinwurzeln der Bäume. Dadurch ist ein Austausch möglich, bei dem der Pilz den Bäumen Wasser liefert und im Gegenzug dafür etwas erhält, das der Pilz nicht selbst herstellen kann: Zucker.

Ein weiteres, etwas gedrungeneres Exemplar des netzstieligen Hexenröhrling-Pilzes. Foto: bio-honig.com
Die "Netzhexe" ist roh giftig, aber nach 15 Minuten Garzeit ein sehr guter Speisepilz
Der Begriff "Hexe" irritiert zunächst, da er Assoziationen mit Gift beinhaltet. Das ist auch berechtigt, da dieser Pilz, wie viele andere Wildpilze in rohem Zustand in der Tat giftig ist. In Zeiten vor dem Internet, als man auf mehr oder weniger gute Pilzbücher oder Pilzratgeber angewiesen war, war die Unterscheidung der Hexenröhrlinge mitunter schwierig, weil sowohl die Druckkosten, als auch die Drucktechnik die Möglichkeiten der Dartstellung der verschiedenen Pilzarten limitierte. Deshalb wurde früher vor Hexenröhrlingen manchmal generell gewarnt, denn es gibt auch noch den Satanspilz, welcher kein Speisepilz ist, und vom Netzstieligen Hexenröhrling unterschieden werden muss.

Bild-Zitat aus genehmigter Sonderausgabe für den Engel-Verlag GmbH: Geheimnisvolles Wichtelreich, München 1989. Bild von Fritz Baumgarten "Das große Waldfest". Ca. 1936.
Pilze sind Grenzgänger zwischen Tier- und Pflanzenreich, und wurden in der Vergangenheit vermenschlicht
Anthropomorphisierung der Tier-, Zwergen- und Pflanzenwelt
Der Begriff Hexe kommt aus der heidnischen Vorzeit und bezeichnete ursprünglich ein Naturwesen, ein Art Heckengeist, das in der Hecke wohnte und sich dort versteckt hielt. So gesehen passt der Name ganz gut, da sich der Pilz ja auch unter Haselnusssträuchern versteckt. Später im Mittelalter wurde der Begriff Hexe dann auf heilkundige Frauen übertragen. Nach dem Vertreiben der Juden im Zuge der Pestpogrome brauchte man neue Sündenböcke, und die Inquisition fand sie in Form der sogenannten "Hexen" in den Hexenverfolgungen der Inquisitionsprozesse. Seitdem ist der Begriff Hexe zum Unwort geworden. Aber dafür kann der Pilz nichts.

Fast alle Farben des Regenbogens weist der farbenfrohe, vitalstoffreiche Pilz auf. Foto: Bienenhof bio-honig.com
Sie erscheinen in sogenannten Hexenringen
Bei gleichmäßiger Laubstreu und Bodenbeschaffenheit kann sich das Pilzwurzelgeflicht einer Pilzart ungehindert nahezu kreisförmig ausbreiten. Die Fruchtkörper der Pilzart, die überirdischen Hutpilze, erscheinen dann am äußersten Rand des kreisförmigen Pilzmycels, und damit entsteht oftmals eine perfekte Kreisform. Die jährliche Expansion des Mycels kann dazu führen dass der Hexenring jedes Jahr etwas größer wird.

Die "Netzhexe", ein aromatische Pilzart, die nur gut gebraten gegessen werden darf. Auf dem Bild ist links neben dem Pilz ein Stumpf zu erkennen, der von einem Pilz stammt, der zuvor geerntet wurde. Wenn zwei Pilze nebeneinande stehen, sollte man immer nur einen ernten, damit der andere weiter wachsen kann. Foto: Imkerei Oswald im September 2022
Bei einer ausreichenden Garzeit von 20 bis 30 Minuten (mindestens jedoch 15 Minuten) wird er zu einem sehr guten Speisepilz
Er ist sehr aromatisch und duftet beim Braten so ähnlich wie Pfifferlinge.

Traditionell Bayerische Pilze in der Pfanne in Butter ausgebraten, mit Semmelknödeln, Salz, Pfeffer und Petersilie. Foto: bio-honig.com
Das Pilzrezept für den Netzstieligen Hexenröhrling
Unser Rezept für den Netzstieligen Hexenröhrling ist sehr einfach und benötigt nur wenige Zutaten.
Zutaten:
- 4-6 mittelgroße Pilze (für zwei Personen)
- Ökoregionale Sauerrahm-Butter
- Bergkernsalz und grober Naturpfeffer
- Gehackte Petersilie (frisch oder gefroren)

Tagesmenge an gesammelten Pilzen für ein Pilzgericht für zwei Personen, bestehend aus Wiesenchampignons und netzstieligen Hexenröhrlingen Foto: Imker Oswald blog bio-honig.com
Zubereitung Pilzpfanne:
- Den Pilz mit einem Pinsel und Gemüsemesser putzen und in grobe Streifen schneiden
- Eine gute Menge ökoregionale Sauerrahmbutter in der Pfanne bei kleinerer Flamme erhitzen
- Die Pilze zugeben und die Küchenuhr auf 15 Minuten einstellen
- Österreichisches Bergkernsalz (fein) zugeben
- Grob gemörserten Tigerpfeffer zugeben.
- Grob gehackte Petersilie vor dem Servieren über die Pfanne streuen.
- Serviert wird mit einem Holzlöffel
- Suppenteller
Beilage
Als Beilage gehören traditionell Semmelknödeln aus dunklerem Bauernbrot (fein geschnittenes, getrocknetes Altbrot) dazu.

Ein Krug Schwarzbier "Schwarzer Pfaff" schmeckt gut zu den aromatischen Wildpilzen. Foto: bio-honig.com im September 2022
Ein Getränk, das zum Pilzgericht gut passt
Der "Schwarze Pfaff", ein süffiges Schwarzbier
Waldpilze brauchen keine direkte Sonne oder UV-Licht, da sie keine Photosynthese betreiben. Deshalb werden Pilze mehr mit dem Mond und der Nacht in Verbindung gebracht, der durch seine Gravitationskraft angeblich die Pilze zum Wachsen anregt. Aus diesen Betrachtungen heraus bietet sich als Begleiter für eine würzige Pilzpfanne ein malziges, röstfrisches Schwarzbier an, welches die bei uns in der Nähe ansässige Privatbrauerei Stoettner mit lokal erzeugten Rohstoffen einbraut:
Geniessen Sie den Schwarzen Pfaff, eine aromatische und würzige Bierspezialität mit dunklem Braumalz und feinstem Aromahopfen eingebraut.
Pfaffenberger Braukunst von der Privatbrauerei Stöttner in Pfaffenberg, seit 1832:
- Geschmackstyp: würzig, samtig und röstfrisch
- Brauart: untergärig
- Stammwürze: 12.5°
- Farbe: pechschwarz
- Alkoholgehalt: 5.5%
- Trinktemperatur: 8° Celsius
- Bierglas: Straßburger Krug
"Schwarzes Bier verführt die Sinne."

Die Hexenröhrlinge weisen Röhren auf der Unterseite auf, und keine Lamellen. Unter den Röhrenpilze gibt es keinen einzigen tödlich giftigen Pilz. Foto: bio-honig.com
Gibt es die Hexenpilze zu kaufen?
Nein. Netzstielige Hexenröhrlinge gibt es im Einzelhandel nicht zu kaufen. Man muss sie finden, sie erkennen und braten, wenn man in den Genuss dieser besonderen Hexenpilze kommen möchte.

Der Netzstielige Hexenröhrlings-Pilz unterscheidet sich vom Satanspilz und dem flockenstieligen Hexenröhrling durch die Netzstruktur. Foto: bio-honig.com
Fähigkeit zur Selbstversorgung und Vorratshaltung gewinnt deutlich an Interesse in wirtschaftlich rauhen Zeiten
Die Bienenkräuterweide liefert uns Wiesenchampignons (und Netzstielige Hexenröhrlinge), zusammen ergibt es vielleicht im Jahr bei uns nur etwa 10 bis 20 Pilzmahlzeiten, aber die Einsparung summiert es sich über die Jahre. Manchmal trocknen wir wir die Pilze für das bei uns beliebte Gericht "Pilzreis". Aber auch das Einfrieren von Pilzen machen wir, falls wir einmal Pilze für eine Böhmisches Pfandl oder eine Jägersauce brauchen.

Wiesenchampignon-Pilze von unserer Öko-Bienenhof-Schafweide. Foto: Imkerei Oswald bio-honig.com im September 2022
Unsere Biodiversifizierungsmaßnahmen auf der Bienenkräuterweide zeigen Früchte
Pilze sind sozusagen Früchte der Erde, also ein Art Erdfrucht. Als wir 2003 mitten in der Fläche kleine Gehölzinseln mit Schlehen und Haselnuss angelegt haben, waren manche Besucher irritiert, und verstanden es nicht, weil man mittlerweile nur ausgeräumte, maschinenoptimierte Landwirtschaftsflächen kennt. Diese kleinen Gehölzinseln sind sind wichtiger Teil der Biotopvernetzung und der Biodiversifizierungsmaßnehmen. Eine Unzahl von Tieren profitiert von diesen Gehölzinseln, auch die Honigbienen. So eine Gehölzinsel liefert die die blauen Schlehenbeeren für Schlehenlikör, Haselnüsse für Butterbrote mit Honig und Haselnüssen, Pilze für diverse Gerichte, und bietet nebenher Schatten für die Schafe auf der Schafweide. Aber auch das Knüppelholz trägt zur nachhaltigen Energieautarkie bei.

Der Hexenröhrling-Pilz zündet ein Farbfeuerwerk, das einem Kunstwerk eines phantastischen Künstlers ähnelt. Foto: bio-honig.com
Warnung
Vorsicht vor den Satanspilzen
Der Satanspilz ist deutlich röter gefärbt, dadurch sind die beiden Pilzarten unterscheidbar. Dieser Blog-Beitrag stellt keine Handlungsanweisung für die Zubereitung oder Bestimmung von Hexenröhrlingen dar, sondern ist einfach ein persönlicher Erfahrungsbericht zur Verbreitung des Wissens über die Natur.
Warum sind Pilze so gesund, so nachhaltig, und so cool?
Zitat Biopilzhof
Eine gute graphische Übersicht zur bildlichen Beantwortung dieser Frage vom Biopilzhof (Link siehe unten):
Pilze enthalten mehr Eiweiß als die meisten Gemüsesorten.
Pilze sind cholesterinfrei, kalorienarm und fettfrei.
Pilze enthalten das Vitamin B12 und sind dadurch die perfekte Fleischalternative.
Pilze enthalten beachtliche Mengen an Mineralien und Spurenelementen.
Ihr Wasserverbrauch beträgt nur die Hälfte dessen von Obst und Gemüse.
Pilze werden ganzjährig gezüchtet und sind ganzjährig regional verfügbar.
Pilze sind enger mit dem Tierreich verwandt, als sie dies mit dem Pflanzenreich sind.
Der größte Organismus der Welt ist möglicherweise ein Pilz mit dem Gewicht von 400 Tonnen, dem Gewicht von 3 Blauwalen, der Ausdehnung von neun Quadratkilometern, und dem Alter von 8500 Jahren.
Ergänzung vm 22. September 2023 (Special thanks to Adolfius)
Welcher Hexenpilz ist essbar, und welcher nicht?
Was sagt die Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V. zur Essbarkeit der Hexenpilze?
Beide Arten sind als Speisepilze eingestuft
In der Speisepilz-Positivliste der DGFM sind beide Arten als Speisepilze aufgeführt,also sowohl der Flockenstielige Hexenröhrling Neoboletus erythropos,als auch der Netzstielige Hexenröhrling Suillellus luridus.
Alle Wildpilze müssen 20 bis 30 Minuten gebraten oder gekocht werden.
Also auf gar keinen Fall Hexenpilze roh essen.
Im Geschmack ist der Netzstielige Hexenpilz dem Steinpilz ebenbürtig.
Niemand sollte Wildpilze roh essen, das wäre sehr töricht.
Ein Tipp speziell für empfindliche Personen
Quellen und Resourcen
Positivliste der Speisepilze
DGfM-Fachausschuss Pilzverwertung und Toxikologie,
Stand 05.02.2023
Liste der uneinheitlich bewerteten Speisepilze
Solche Pilzarten sollten in einer Beratung nur mit deutlichen Warnungen verbunden zum Essen freigegeben werden.
Die nachfolgenden Pilzarten werden immer wieder von Sammlern verzehrt, können aber gemäß Literatur, eigener Erfahrung oder
Berichten der Giftinformationszentren zu gesundheitlichen Problemen führen. Außerdem enthält die Liste Arten, die nur durch besondere
Zubereitung genießbar gemacht werden können. Arten, die lediglich bitter oder anderweitig unangenehm schmecken, unbedeutend als
Speisepilz sind oder möglicherweise mit Giftpilzen verwechselt werden können, wurden meist nicht in diese Liste aufgenommen.
Liste der Pilze mit uneinheitlich beurteiltem Speisewert
DGfM-Fachausschuss Pilzverwertung und Toxikologie, Stand 28.02.2023:
Biopilzhof
https://www.biopilzhof.de/unsere-pilze.html
Danke für's Lesen und Kommentieren,
Ihr Hans Georg Oswald (Berufsimker & Blogger)
Imkerei Oswald / bio-honig.com / Bienenhof Hallertau

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